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Arthroskopische Therapie der Rotatorenmanschettenläsion

Durchbruch in der Schulterchirurgie

Die chirurgische Therapie der Rotatorenmanschettenruptur zählt heute zu den häufigsten Eingriffen in der Schulterchirurgie. Wo vor 15 Jahren noch das offene Vorgehen Standardtherapie und bis vor Kurzem die Mini-open-Vorgehensweise oftmals das Verfahren der Wahl war, kann heute –  aufgrund der fortgeschrittenen technischen Möglichkeiten und der gewonnenen anatomischen Erkenntnisse –  die arthroskopische Versorgung der Rotatorenmanschettenläson als Goldstandard angesehen werden.

Vorteile der arthroskopischen Therapie

Die Vorteile der Arthroskopie liegen dabei in einer deutlich geringeren Infektionsrate, der geringeren Rate an postoperativer Schultersteife, fehlender Schädigung des Deltamuskels, erhaltener Propriozeption sowie im geringeren Weichteiltrauma, was eine schnellere Rehabilitation und bessere Kosmetik zulässt. Weiters lassen sich in der Arthroskopie auch Begleitpathologien erkennen und behandeln. Einerseits kann die Anatomie der Risskonfiguration besser beurteilt werden, andererseits können aber auch effektivere Releaseverfahren angewandt werden, sodass auch die Refixation von Massenrupturen bei älteren Patienten erfolgversprechende Ergebnisse zeigt.

Die erfolgreiche Einheilung einer Rotatorenmanschettennaht hängt nicht nur von biologischen Faktoren ab, wie Sehnenqualität, Sehnenretraktion, Muskel- und Knochenqualität, sondern auch von biomechanischen Faktoren wie Ankerdesign, Anzahl und Positionierung der Fäden und Festigkeit der Sehnennahtkonstruktion. Erstere Faktoren kann der Chirurg, bis auf die Präparation des Knochens, nur wenig beeinflussen.

Die biomechanischen Prinzipien der Rotatorenmanschettennaht sind jedoch schon ausgiebig studienmäßig evaluiert und zeigen, dass nicht die Anzahl der Anker für die Festigkeit des Nahtkonstrukts ausschlaggebend ist, sondern die Zahl der Fäden. Die widerstandsfähigste Positionierung der Fäden liegt dabei medial des „rotator cable“. Auch die ewige Diskussion über „single row“ (einreihig) oder „doublerow“ (doppelreihig) ist mittlerweile entschieden. Es hat heute keinen Sinn mehr, den Terminus „double row“ zu verwenden, da man eigentlich von transossärer Äquivalentnaht („transosseous equivalent repair“, TOE) oder „Bridging“-Techniken sprechen muss, da man eine widerstands- fähigere transossäre Nahtkonfiguration mit den modernen Nahttechniken reproduziert. Der Vergleich TOE versus einreihige Konstruktion zeigte in Kurzzeitstudien zwar keine signifikanten Unterschiede im klinischen Ergebnis, jedoch eine deutlich verbesserte strukturelle Sehnenintegrität mit der TOE-Rekonstruktion. Die herkömmlichen „Double row“ Rekonstruktionen werden heutzutage kaum noch angewandt.

In unserer Langzeitstudie nach einreihigen arthroskopischen Rotatorenmanschettenrekon-struktionen konnten wir zeigen, dass intakte Rotatorenmanschetten nach mehr als 10 Jahren ein deutlich besseres klinisches Ergebnis zeigen als rerupturierte, was auch die spärlichen anderen Langzeitstudien bestätigen. Wir selbst hatten in einem Zeitraum von 10 Jahren mit einer einreihigen Rekonstruktion eine Rerupturrate von 70%. Die heutige Datenlage zeigt eindeutig, dass bei kompletten Rissen über 1cm eine einreihige arthroskopische Refixation zu überdenken ist.

Auch neue anatomische Aspekte lassen die Technik der Rotatorenmanschettenre- konstruktion in einem anderen Licht erscheinen. Anatomische Studien zeigten, dass Supraspinatus und Infraspinatus nicht zwei gleich große Insertionen am Footprint des Tuberculum majus haben, sondern die Insertion des Supraspinatus trapezoidförmig ist und ca. 1,5cm ausmacht, wobei die Insertion des Infraspinatus 3,0–3,5cm misst, von dorsal kommend über die Supraspinatussehne zieht und sich mit dieser vereinigt, sodass am Ansatz die Sehnen kaum zu trennen sind (Abb. 1).

Weiters zeigt sich, vor allem auch klinisch während der Arthroskopie (Abb. 2), dass die Rotatorenmanschette aus mindestens zwei Schichten besteht: einer oberflächlichen, meist weniger retrahierten, dafür auch wenig elastischen Schicht, welche die eigentliche Sehne ist, und einer tiefer gelegenen, meist auch weiter zurückgezogenen Schicht, die nach neuesten Erkenntnissen die superiore Schulterkapsel darstellt. Oft leicht zu verwechseln mit dem Labrum („double labrum sign“), ist diese tiefe Schicht aber deutlich elastischer und lässt sich erstaunlich gut an die Knorpel-Knochen-Grenze reponieren. In einer Studie konnten wir zeigen, dass bei postero-superioren Rotatorenmanschet- tenrupturen diese Sehnendelamination in 85% vorliegt.

Eine erfolgreiche Rekonstruktion, auch primär weit retrahierter Rupturen, erfordert folgende Schritte:

Schritt 1:

Unabhängig von der Lagerung während der Operation wird als erster Schritt nach diagnostischer Arthroskopie und der Entscheidung, die Sehne zu refixieren, die lange Bizepssehne adressiert. Sie ist aufgrund der Ruptur des Pulleysystems im Falle eines Rotatorenmanschettenrisses in 95% Teil der Pathologie. Je nach Alter und Geschlecht kommt hierbei eine Tenodese oder eine Tenotomie zum Einsatz.

Schritt 2:

Danach wird ein ausgiebiges Sehnenrelease mit Resektion des coracohumeralen und coracoglenoidalen Ligaments durchgeführt sowie ein juxtagleno- idales Release der superioren Kapsel. Aufzupassen ist hier auf den Nervus suprascapularis, der um die Spina scapulae zieht.

Schritt 3:

Das Arthroskop wird in den Subakromialraum geschwenkt und eine ausgiebige Bursektomie durchgeführt bis zur Darstellung der Spina scapulae, welche die Orientierung zwischen Supra- und Infraspinatus zulässt.

Schritt 4:

Die Risskonfiguration sowie die tiefe und die oberflächliche Sehnenschicht werden somit identifiziert und versucht, an den Footprint zu reponieren. Die gewebeeigene Elastizität gibt die Richtung vor. Die beiden Schichten können getrennt voneinander reponiert werden und sind manchmal auch kulissenartig verschieben.

Schritt 5:

Der Footprint am Tuberculum majus wird angefrischt und ein sogenanntes Nanofracturing durchgeführt. Beim Nanofracturing wird im Gegensatz zum Microfracturing mit einem dünnen Draht mehrmals mindestens 1,5cm tief in den Knochen gebohrt, um Knochenmark und Stammzellen ausströmen zu lassen, die die Heilung möglicherweise begünstigen. Die Literatur zeigt, dass ein Nanofracturing die Rerupturrate deutlich senkt und Stammzellen erst unterhalb der subchondralen Schicht, das heißt ab 1,5cm Tiefe, ausströmen können.

Schritt 6:

Die mediale Ankerreihe wird gesetzt, wobei von uns dreifach geladene Anker bevorzugt werden. Die Fäden werden durch die Rotatorenmanschette gezogen. Zu verwendendes Gerät und Methode hängen von den Präferenzen des Chirurgen ab. Danach wird die mediale Reihe wahlweise geknotet oder nicht. Es soll darauf geachtet werden, dass die Fäden beide Schichten – oberflächliche und tiefe – penetrieren. Die tiefe Schicht, welche die superiore Kapsel darstellt, mit dem „rotator cable“ oder Reste davon am lateralen Ende, sollte knapp hinter diesem durchstochen werden und die oberflächliche Schicht lateral des muskulotendinösen Überganges, sodass ausreichend Sehnenmaterial zur Deckung des Footprints zur Verfügung steht. Zur medialen Fixation ist zu sagen, dass wir in unseren biomechanischen Studien zwar nachweisen konnten, dass die mediale Knotenreihe die höchste Primärstabilität gibt und knotenfreie Konstrukte eher durch die Sehne schneiden (Abb. 3).

Es konnte aber auch gezeigt werden, dass eine medial geknotete TOE-Konfiguration die Sehnenperfusion um nahezu 50% vermindert, wodurch eventuell höhere Rerupturraten im Vergleich zu den knotenfreien Techniken erklärbar wären. Zu diesem Thema ist das letzte Wort noch nicht gesprochen und auch an unserer Abteilung noch einiges in Entwicklung.

Schritt 7:

Zu guter Letzt werden die Fäden überkreuzt mit 2 knotenfreien Ankern nach lateral über den Footprint gespannt und befestigt. Biomechanische Arbeiten zeigten, dass hierdurch die gleichmäßigste Druckverteilung über den ganzen Footprint zustande kommt und eine Art „Selbstversteifung“ des Gewebes nach dem Mädchenfänger-Prinzip erzielt wird.

Die arthroskopische Rotatorenmanschettenchirurgie hat sich in den letzten Jahren technisch immens weiterentwickelt, sodass sie aufgrund ihrer Vorteile als das Standardverfahren der Behandlung von Rotatorenmanschettenläsionen angesehen werden kann. Das schwächste Glied stellt nunmehr das behandelte Gewebe selbst dar, das ist somit der limitierende Faktor in der Rekonstruktion. Das Problem hierbei ist die Heilung der Sehne in Narbengewebeausbildung mit minderen biologischen und biomechanischen Eigenschaften. Die Anstrengungen der Forschung konzentrieren sich heutzutage – nach Ausreizen aller technischen Möglichkeiten – darauf, die Sehnen-Knochen-Heilung mittels biologischer Verfahren zu optimieren (Abb. 4), was wir auch schon in JATROS Orthopädie & Rheumatologie 4/2015 (S. 18–21) beschrieben haben. Trotz dieser Einschränkung zeigt die arthroskopische Rekonstruktion der Rotatorenmanschette sogar beim alten Patienten schon jetzt sehr gute Ergebnisse und ihrer Anwendung sind keinerlei Grenzen mehr zu setzen.

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